Soldaten aus Pobenhausen in den Weltkriegen
Der Heeressoldat und Kriegsgefangene Anton Pichler im 1. Weltkrieg
Kurz nach der Mobilmachung des Deutschen Reiches am 2. August 1914 begann
mit seinem Diensteintritt im Deutschen Heer am 14. August 1914 für den Soldaten
Anton Pichler aus Pobenhausen der Kriegsdienst.
Zunächst erfolgte die militärische Grundausbildung an der Waffe mit dem
damaligen Standardgewehr „Modell 98“.
Mit dem Einrücken ins Feld am 21. Oktober 1914 begann für den 25-jährigen
Reserveinfanterist mit der Erkennungsmarke Nr. 1383 ein über fünf Jahre
lang andauerndes Leben in Krieg und Gefangenschaft.
Mit den noch erhaltenen Dokumenten in Wort und Bild (u. a. die Kriegsstammrolle
KrStR 3291 aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv) und dem Buch „Die Welt
hinter Stacheldraht – Eine Chronik des englischen Kriegsgefangenenlagers
Handforth bei Manchester“ aus dem Jahre 1921 kann sein Soldatenleben, davon
vier Jahre in englischer Gefangenschaft, auf den folgenden Seiten nachgezeichnet
werden.
Dokumente seines Feld- und Gefangenenlebens
Der Militär-Pass mit den persönlichen Daten des Inhabers.
Der Soldat Anton Pichler (Dritter von links) in Pose mit Kameraden.
Links außen sitzt Johann Dallmeier, ebenfalls aus Pobenhausen. Die Tafel
ist mit der Aufschrift „Weltkrieg 1914/15 – Wer weiß ob wir uns
wiedersehen“ versehen.
Der Militär-Pass gibt auch eine Aufzählung an den
beteiligten Schlachten und Stellungskämpfen, allesamt in Belgien und
Frankreich, preis:
30.10.1914 - 24.11.1914 Schlacht bei Ypern
25.11.1914 - 13.12.1914 Stellungskämpfe in Flandern
14.12.1914 - 24.12.1914 Dezemberschlacht in franz.
Flandern
25.12.1914 - 09.03.1915 Stellungskämpfe in Flandern
10.03.1915 - 14.03.1915 Schlacht bei Neuve-Capelle
15.03.1915 - 08.05.1915 Stellungskämpfe in franz.
Flandern
09.05.1915 - 23.07.1915 Schlacht bei La Bassée und
Arras
24.07.1915 - 24.09.1915 Stellungskämpfe in franz.
Flandern
25.09.1915 - 13.10.1915 Herbstschlacht bei La
Bassée u. Arras
Bei Letzterer ging er am 25. September 1915 in
englische Gefangenschaft und wurde in das Kriegsgefangenenlager für
Deutsche, Camp Handforth, nach England gebracht.
Seine Führung wird als sehr gut bezeichnet, Strafen werden keine
genannt.
Feldpostkarte aus Straßburg an seine Familie vom 9. Dezember 1914 (ganz
rechts am Bildrand sitzend):
„Liebe Mutter und Geschwister,
heut schicke ich Euch eine Photographie von der 9. Kompanie,
da könnt Ihr miteinander euren Sohn sehen, ich schicke Euch
nochmals eine. Wenn ich einmal ausgehen darf lass ich mich dann
allein machen, vielleicht bekommen wir eine bessere Montur.
Seid mir vieltausendmal gegrüßt, auf Wiedersehen.“
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Eine weitere Feldpostkarte, dieses Mal aus bereits aus dem Gefangenenlager
Camp Handforth bei Manchester.
Der im Bild vorne links abgebildete Kriegsgefangene Peter
Stippel sendete diese an seine Familie Hufnagl aus
Aschelsried.
Mit auf dem Bild sein Mitgefangener Kamerad Anton Pichler hinten rechts.
Seine Gefangenenkennung und zugleich Adresse lautete „No. 24478
Camp Handforth“.
Die Aufschrift der Tafel ist vermutlich wieder „Wer weiß ob wir uns wiedersehen“.
Das „Versorgungsamt Ingolstadt – Auskunftsstelle für Kriegsgefangene“
(Stempel links) stellte ihm am 15. Oktober 1920 nach seiner Rückkehr aus
der Kriegsgefangenschaft folgende Personalnotiz in seinem Militär-Pass aus:
„Am 25.09.15 in englischer Gefangenschaft. Am 11.11.19 über Durchgangslager Cuxhaven zurückgekehrt und mit Urlaubsgebühren
für 56 Tage am 11.11.19 nach Pobenhausen zum Bezirks-Kommando Ingolstadt entlassen. Entlassungsanzug und Entlassungsgeld erhalten. Ist über Anmeldung von Versorgungsansprüchen belehrt und erhebt solche.“
Das Kriegsgefangenenlager Camp Handforth bei Manchester in England
Der Außenbereich des Kriegsgefangenenlagers Handforth.
Der Gebäudekomplex
Das ehemalige Fabrikgebäude, welches zu Beginn des Krieges zu einem Gefangenenlager
umfunktioniert wurde, umfasste mit dem Fabrikhof etwa 30.000 qm Gesamtfläche.
Der Innenraum erhielt reichlich Oberlicht durch Dachfensteranlagen, welche
neben in die Mauern eingesetzten Luftschächten auch für die Belüftung sorgten.
Für die Zwecke eines Massengefangenenlagers war der Innenraum durch Einbau
von Holzwänden in mehr als 45 Räume zerlegt. Die Fläche der Wohn- und Schlafsäle
belief sich etwa jeweils auf eine Größe zwischen 450 und 2.300 qm. Der größte
Saal befand sich am Eingang des Fabrikgebäudes mit mehr als 3.300 qm.
Den Mannschaften und Unteroffizieren standen geräumige Speisesäle zur
Verfügung. Im Theatersaal wurden Turnübungen, Unterrichtsstunden, Festlichkeiten
mit Musik, Gottesdienste und Versammlungen abgehalten – erst in den letzten
Betriebsmonaten musste dieser aufgrund hoher Belegungszahl des Lagers auch
für Wohnzwecke genützt werden. Die Fläche des Küchenraums betrug etwa 2.000
qm.
Für die nötige Körperpflege standen fünf Waschhäuser und vier Badehäuser
zur Verfügung. Im Hospital waren zwei Wannenbäder eingerichtet. Bei gut
besetztem Lager stieg der durchschnittliche Wasserverbrauch auf bis zu 90.000
Hektoliter pro Monat.
Im Speisesaal befand sich seit 1917 ein Warmwasserkessel, welcher hauptsächlich
zur Zubereitung von warmen Getränken und zur Reinigung des Essgeschirrs
bereit stand. Abwässer flossen nach der Reinigung durch zwei Filterbecken
in einen kleinen Fluss.
Die elektrische Lichtanlage bestand aus etwa 560 Lampen, die gleichmäßig
über das ganze Lager verteilt waren. Die Verbrauchsleistung belief sich
auf etwa 36.000 Watt. Die Versorgung hierzu lieferte eine Zweizylinder-Dampfmaschine
mit 15 PS, welche mit einem 60 kW Generator gekuppelt war.
Die Außenanlagen und Wohnräume
Vor dem Haupteingang des Gebäudes wurde durch deutsche Gefangene ein
Garten angelegt. Der etwa 6.500 qm große Außenhof des Geländes diente den
Kriegsgefangenen zum Aufenthalt im Freien, zu Spaziergängen und als Spielplatz.
Anfang 1918 wurde hier auch eine Kegelbahn angelegt.
Für Erholungs-, Sport- und Spielzwecke standen ein Sport- und ein Rasenplatz
zur Verfügung (etwa 20.000 qm).
Die Gesamtfläche des Kriegsgefangenenlagers Handforth betrug somit zusammen
etwa 40.000 qm. Das Lager war von einem hohen, doppelten Stacheldrahtzaun
umzogen und stets von einer Postenkette (elf Mann) umstellt.
Im Durchschnitt stand dem Kriegsgefangenen eine Fläche von 2-3 qm zur
Verfügung. Den inhaftierten Feldwebeln wurde seitens der englischen Regierung
mehr Raum zugestanden.
Im ersten Novemberdrittel 1919 verließen alle 3.928 Mann das Lager, um
wieder in die deutsche Heimat zurückzukehren. Diese Anzahl war zugleich
die höchste Belegung des Lagers, dessen niedrigste etwa 900 Mann.
Das Leben im Lager
Der Kriegsgefangenentag begann mit Leid und Sorge und endete auch wieder
so – die verlebten Stunden und Tage, Wochen und Monate glichen sich aufs
Haar. Jeder Tag ein öder und grauer Durchschnittstag.
Nur einige wenige fanden im Camp Handforth oder Umgebung regelmäßige
Arbeitsgelegenheit – Lagerarbeiter und Landwirte, zusammen aber nur rund
300 Mann. Die internen Werkstätten konnten nur etwa 30 Leute beschäftigen.
Kriegsgefangene und landwirtschaftliche Helferinnen bei der Arbeit auf
einem Bauernhof.
In der Landwirtschaft beschäftigte Gefangene konnten sich seit dem Frühjahr
1917 bei den zunächst noch misstrauischen Bauern gut einbringen, was größtenteils
zur Ausbildung eines guten Vertrauensverhältnisses führte. So durfte der
Kriegsgefangene bei guter Arbeit auf vielen Farmen oft mit am Mittagstisch
sitzen und essen.
Fußballturniere als Ausgleich zum Lagerleben – Lager Leigh (hell) gegen
Lager Handforth (dunkel).
Sport und Spaziergänge waren in der warmen Jahreszeit ein Ersatz für
fehlende Körperbetätigung. Gezeichnet von Langeweile waren hauptsächlich
die Herbste und Winter, was sich darin äußerte, dass hunderte Lagerinsassen
in den nasskalten, nebeligen Tagen oft stundenlang am selben Platz saßen.
Jeden Morgen gegen 6.00 oder 6.30 Uhr, je nach Jahreszeit, ertönte der
militärische Weckruf. Bis etwa 10.30 Uhr beschäftigte sich jeder mit freiwillig
übernommenen Pflichten im Lageralltag.
Nach dem Mittagstisch war von 12.30 bis 14.00 Uhr Mittagsruhe, tiefe
Stille machte sich im Lager breit. In der Handhabung der Mittagsruhe waren
die Gefangenen energisch, ging es doch um einige bequeme und private Momente.
Der Küchenraum im Camp Handforth.
Bis zum Erscheinen der Ronde (Kontrollgang) gegen 22.00 oder 23.00 Uhr
war sich der Kriegsgefangene nun wieder selbst überlassen.
Das um 22.00 Uhr gelöschte Licht machte keineswegs dem Leben im Lager
ein Ende – in manchem Saal schien es, als ob erst jetzt der Hauptteil der
Tagesarbeit begann.
Umständlich brachte sich der Kriegsgefangene zu Bett. Im Winter musste
er sich gegen die Kälte, im Sommer gegen das Ungeziefer schützen.
Im Lager bildete sich auch ein religiöses Eigenleben – die deutschen
Andachtsstunden der Pastoren waren in dem Lager willkommene Feiertage. Katholiken
richteten sich in einer Kapelle mit einem aus rohen Brettern gezimmerten
Altar ein und verbrachten dort das Kirchenjahr samt spärlicher Einrichtung.
Die
Lagerkirche der Gefangenen.
Eine willkommene Abwechslung boten auch patriotische Feiern – Kaiserfeiern,
Bayern- und Sachsentage, stimmungsvolle Weihnachts-, Silvester- und Neujahrsfeiern,
diverse Jahrestage und Vereinsfeste unterbrachen wohltätig das Gleichmaß
der Tage.
Der Sonntag unterschied sich von den anderen Tagen nicht nur in der Stilllegung
der Arbeitsstätten – Gefangene legten bessere Kleidung an und die Küchen
verwerteten die Ersparnisse der Woche für Zukäufe besserer Kost. So unbedeutsam
diese Dinge für den Außenstehenden auch scheinen mögen, im Kriegsgefangenenleben
sind sie für den Einzelnen und die Gemeinschaft bedeutsam gewesen.
Aufführung von Oberländertänzen zum Bayerntag 1918.
Der Marinesoldat und U-Boot-Fahrer Anton Kreil im 2. Weltkrieg
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Nach seiner Musterung wurde der Soldat Anton Kreil aus Pobenhausen am
1. Dezember 1941 als Freiwilliger zur Deutschen Kriegsmarine eingezogen.
Sein Leben als Marinesoldat lässt sich durch seine persönlichen Aufzeichnungen
und Bilder wie folgend beschreiben.
Die erste Ausbildungseinheit des 18-jährigen Matrosenanwärters als U-Boot-Fahrer
war in Plön-Ruhleben/Holstein.
Die weiteren U-Boot-Techniklehrgänge absolvierte er an folgenden U-Boot-Stützpunkten:
Schulungsfahrt in der Ostsee auf der U 647 der 5. U-Flottille. Dieses Boot
ging später bei seiner ersten Feindfahrt als Frontboot am 3. August 1943
bei den Shetland-Inseln verloren. Eines der bekanntesten U-Boote dieses
Typs war die U 96 aus dem Film „Das Boot“.
Ab 1. Januar 1942 in Danzig (Polen),
ab 30. April 1942 in Gotenhafen (Gdynia, Polen)
und ab 27. August 1942 in Hamburg und Kiel.
Ab 8. Januar 1943 folgte schließlich die Funk- und Signalausbildung in
Swinemünde (Swinoujscie, Polen). Schulbootfahrten in der Ostsee mit U 647.
Als Matrosenobergefreiter wurde Anton Kreil am 31. Mai 1943 schließlich
nach Lorient in Westfrankreich zur 2. U-Flottille abgesandt, um dort unter
dem Kommando von Oberleutnant zur See Horst von Schroeter auf der U 123
auf seine erste Feindfahrt zu gehen.
Einlauf
von U 123 in den Hafen von Brest (Westfrankreich).
U-Boote dieses Typs hatten bis zu 60 Mann Besatzung.
Nach dem Krieg wurde das Wrack diesen Bootes Frankreich zugesprochen
und nach der Reparatur als „Blaison“ wieder in Dienst gestellt. Diese blieb
bis zur Verschrottung 1959 im Dienst.
Seine zwei Feindfahrten von August 1943 bis April 1944 auf U 123 dauerten
etwa 200 Seetage. Bei einem Luftangriff zur See am 7. November 1943 wurde
ein Besatzungsmitglied getötet und zwei weitere verwundet.
Als sich nach dessen Rückkehr in den Heimathafen Lorient die Alliierten
schnell näherten, sollte das Boot von Frankreich nach Norwegen verlegt werden,
was aber aufgrund fehlender Fahrtüchtigkeit nicht mehr gewährleistet werden
konnte.
Torpedotreffer an einem Frachtschiff
Es folgte nach der Außerdienststellung im Juni die Selbstversenkung am
19. August 1944. Während seiner gesamten Einsatzzeit von September 1940
bis April 1944 versenkte U 123 etwa 47 Schiffe (244.040 BRT = Bruttoregistertonnen).
Einladungskarte zum U-Boot-Kameradschaftsabend in Heilbronn am 10. Juli
1944.
Anton Kreil kam mit seiner Besatzung zurück nach Deutschland, um in Hamburg
am 31. August 1944 das neue Boot U 2506 in Dienst zu stellen. Dies diente
zuerst als Schulungsboot und ging Anfang 1945 als Frontboot zur 11. U-Flottille
nach Bergen in Norwegen.
Die Feindfahrten auf beiden Booten führten ihn im Mittelatlantik und
dem pazifischen Ozean unter anderem zu den Kanarischen Inseln (Nordafrika),
den Golf von Guinea (Westafrika), Brasilien und Argentinien in Südamerika
und Kapstadt in Südafrika.
Von Mai bis August 1945 hielt sich Anton Kreil (Dritter von links) bei
Kriegsende in der letzten Zufluchtsstätte Bergen in Norwegen auf.
Nach dem Kriegsende am 5. Mai 1945 war die letzte Zuflucht der Einlaufhafen
Bergen.
Am 9. August 1945 wurde er als Kriegsgefangener in das Gefangenenlager
Bad Kreuznach unter der Besatzungsmacht Frankreich verlegt und schließlich
am 5. Oktober 1945 wieder nach Pobenhausen entlassen.
In Pobenhausen und Umgebung war Anton Kreil in der Nachkriegszeit weithin
durch seinen Elektroinstallationsbetrieb bekannt.
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